Was ist ein soziokulturelles Zentrum?

22. November 2019 - Christian Saris - Lesezeit: 9 - 11 min.

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In einem vorigen Post berichtete ich bereits über den Stand der Dinge bezüglich des Soziokulturellen Zentrums am Stapeltor 6, das es derzeitig (Stand November 2019) in Duisburg noch nicht gibt und das entstehen könnte, wenn Verwaltung und Politik, insbesondere die SPD Duisburg, mitspielen würden. Dieser Artikel will aufklären, was man eigentlich unter einem solchen Zentrum versteht und warum es eine Bereicherung für diese Stadt sein würde.

Was ist ein soziokulturelles Zentrum?

Eine einfache Definition:

Das Soziokulturelle Zentrum ist ein Ort der Zusammenkunft für Bürger*innen aller Stadtteile, um niedrigschwellige soziale kulturelle Angebote zu konsumieren oder selbst zu schaffen.

Es geht also um Integration im weitesten Sinne - also der Integration all derer, die in der Stadt leben, egal ob arm oder reich, gebildet oder bildungsfern, deutschsprachig oder nicht. Es geht darum, alle Leute zusammenzubringen, um möglichst vielen Leuten einer Stadt kulturelle Teilhabe zu ermöglichen und um demokratische Prozesse zu pflegen.

Noch anschaulicher ist die Beschreibung des Begriffes in diesem Video aufbereitet. (Quelle/ Urheber: Kulturzentrum BARMBEK°BASCH).

Ein Gewinn für die Stadt

Soziokulturelle Zentren sind eine Bereicherung für eine Stadt, denn sie geben nicht nur allen Menschen eine Möglichkeit der kulturellen Teilhabe, sondern sie verleihen einer Stadt auch einen weiteren urbanen Charakter.

Schaut man in die Nachbarstädte Oberhausen, Essen, Bochum oder Düsseldorf, so fällt auf, dass sie seit Jahrzehnten solche Einrichtungen etabliert haben. Nicht nur das. Kultur hat sich nach dem Strukturwandel im Ruhrgebiet als eigenständige Branche herausentwickelt und soziokulturelle Zentren wie zum Beispiel der Bahnhof Langendreer in Bochum, das Zakk in Düsseldorf, die Zeche Carl in Essen oder aber das Druckluft und das Zentrum Altenberg in Oberhausen sind wichtige Player in dieser Branche geworden. Sie ergänzen das Kulturangebot einer Stadt um solche, die den urbanen Charakter ebenso ausmachen wie das Vorhandensein eines Theaterensembles, eines Sinfonieorchesters oder einer Oper. Sie ziehen unterschiedlichste Menschen in die Städte, erhalten Freiräume und sie fördern sowohl Kreativität als auch die Agilität einer Stadtgesellschaft.

Duisburg - eine Stadt ohne Subkultur?

Duisburg ist eine der wenigen Großstädte ohne ein solches Soziokulturelles Zentrum. Die freie Kunstszene hat es seit jeher schwer. Die großen Kulturfestivals fokussierten sich in der Vergangenheit eher darauf, kulturelle Angebote auswärtig einzukaufen als lokale Kultur zu fördern. Der städtische Etat für die freie Kunstszene im Haushalt der Stadt war im Vergleich zu den anderen Ruhrgebietsstätten auffallend gering.

Dennoch gediehen mit wenig oder gar keiner städtischen Förderung durchaus “kleine Perlen” im Stadtgebiet. Ob dies nun das 47 in der Münzstraße ist, das Lokal Harmonie in Ruhrort, das Syntopia in Hochfeld oder der Rote Stern Ruhrort. Dies alles sind Stätten, an denen kulturelle Teilhabe ermöglicht wird und auch bewiesen wird, dass es in dieser Stadt einen Bedarf dafür gibt. Hinzukommen die wenigen Clubs in Duisburg, die Subkultur pflegen und entstehen lassen. Doch werden diese nicht als Kulturstätten angesehen sondern vielmehr als Vergnügungsstätten. Sie haben häufig mit den Nachbarn zu kämpfen, die - obwohl sie innenstadtnah wohnen - wenig tolerant gegenüber Ruhestörungen nach 22 Uhr sind. Solche Orte sind rar gesäht und gefährdet in Duisburg. Die Stadt muss endlich begreifen, dass sie wichtig sind und Bestandteil eines agilen Innenstadtentwicklungskonzeptes sein können.

Erfolgreich scheitern - Es gibt keinen Antrag für die nächste Ratssitzung

Obwohl die Duisburger SPD sich bereits mehrfach zu dem Projekt bekannt hat (GRÜNE, FDP und Linke ebenso) bringt sie keinen Antrag in den Rat ein, die Verwaltung leider auch nicht.

Die Aktivist*innen waren bereits erfolgreich. Sie haben Wettbewerbe und damit Fördergelder für ihr Konzept des Soziokulturellen Zentrums gewonnen. Diese Gelder könnten nicht abgerufen werden, wenn es keinen Antrag in der Ratssitzung vom 25.11.2019 gibt, in der hierüber entschieden wird. Wenn es scheitern würde, wäre dies eine große vertane Chance und eine Schande für Politik und Verwaltung gegenüber den Ehrenamtlichen, die somit jahrelang umsonst für dieses Projekt gekämpft hätten.

Mittlerweile gibt es einen Antrag der Fraktion der GRÜNEN im Rat der Stadt, der darauf zielt, die Erprobungsphase des Soziokulturellen Zentrums mit dem vorliegenden Konzept zu beginnen und die städtischen Zuschüsse vorbehaltlich der Genehmigung zur Nutzungsänderung auszuzahlen. Doch ohne die Unterstützung der SPD hat dieser Antrag sicherlich keine Chance. Hierzu die Pressemitteilung der GRÜNEN Ratsfraktion vom 21. November 2019:

Pressemitteilung der GRÜNEN Ratsfraktion vom 21. November 2019

In der nächsten Ratssitzung am 25. November wird über den Haushalt der Stadt Duisburg der kommenden 2 Jahre beschlossen. Allerdings sind bisher keine finanziellen Mittel für die Erprobungsphase des Soziokulturellen Zentrums am Stapeltor eingestellt wurden. Ohne eine finanzielle Zusicherung seitens der Stadt könnte das Projekt die schon beantragten Fördermittel des Landes verlieren. Damit dies nicht passiert, haben die GRÜNEN einen Haushaltsantrag gestellt, mit dem das Projekt Soziokulturelles Zentrum noch zu retten wäre.

Claudia Leiße, Fraktionssprecherin und Mitglied im Kulturausschuss erläutert:

„Aktive des Soziokulturellen Zentrums in Gründung stellten dem Kulturausschuss im Sommer ihr Konzept vor. Es ist plausibel und durchdacht und die Finanzierung nachvollziehbar. Über alle Fraktionen hinweg wurde Unterstützung zugesichert, denn ohne Zuschuss der Stadt ist die Einrichtung eines solchen Zentrums für alle Generationen und Kulturen nicht möglich. Und doch findet sich im Haushalt nicht einmal die kleinste Erwähnung des Zentrums wieder. Und die fordern wir jetzt ein.

Wir können nicht verstehen, wie wenig Wertschätzung das ehrenamtliche Engagement der Aktiven des Soziokulturellen Zentrums in Duisburg erfährt. Sie haben bisher die Arbeit gemacht, die eigentlich schon die Stadt vor Jahren hätte machen müssen. Und das aus eigener Kraft mit großem Einsatz und geringen Finanzmitteln vom Land.“

Die Geschichte des Soziokulturellen Zentrums in Duisburg ist eine, die von vielen Höhen und Tiefen geprägt ist. Seit mehr als drei Jahren arbeitet eine Gruppe Ehrenamtlicher an der Einrichtung eines Soziokulturellen Zentrums und immer wieder wurden sie vertröstet.

Nachdem die Stadtverwaltung klar gemacht hatte, dass die Alte Feuerwache in Hochfeld nicht mehr zur Verfügung steht, suchten sie nach neuen Räumlichkeiten im Innenstadtbereich.

Im vergangenen Jahr bot sich schließlich die Chance, den Traum eines Soziokulturellen Zentrums am Stapeltor im ehemaligen Textilhaus Decher zu verwirklichen. Der Eigentümer Christian Otto zog genauso mit wie der Architekt Dieter Düster. Ein Konzept für eine Erprobungsphase wurde erstellt, die Finanzierung dargelegt und schließlich der Antrag auf Baugenehmigung eingereicht.

All dies reicht dem Kulturdezernenten und den Entscheidern der Politik offensichtlich nicht, denn die Stadt Duisburg hätte Mittel zur Unterstützung des Vorhabens in den Haushalt einstellen müssen.

Nun drängt die Zeit, denn gerade Letztere drohen Anfang 2020 zum Teil verloren zu gehen, weil es keinen politischen Beschluss zum Beginn der Erprobungsphase gibt.

Claudia Leiße hofft noch auf ein Einlenken insbesondere der SPD, die auf ihrem Parteitag vor zwei Jahren den Beschluss gefasst hatte, dass es in Duisburg ein Soziokulturelles Zentrum geben soll: „Die SPD sollte sich doch an ihre eigenen Beschlüsse nicht nur erinnern, sondern auch halten.“

  • 22.11.2019: In einer vorigen Version dieses Artikels hieß es, es bedürfe einer Beschlussvorlage. Dies ist nicht richtig. Es bedarf eines Antrages. Dies wurde korrigiert.