Duisburger Ordnungsamt schließt das 47

13. Dezember 2019 - Christian Saris - Lesezeit: 7 - 9 min.

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Der interkulturelle Stadtteilladen “47” auf der Münzstraße ist am 12. Dezember vom Ordnungsamt der Stadt Duisburg geschlossen worden. Die Räumlichkeiten sind seitdem versiegelt und das Unverständnis gegenüber der Verwaltung sehr groß. Die Menschen der Stadt zeigen sich solidarisch und protestieren. Ein Kulturrat könnte für die Zukunft einen Dialog auf Augenhöhe ermöglichen.

Am Donnerstag, 12. Dezember 2019, fand gerade ein Brettspieleabend (!) im 47 statt als einer Pressemitteilung der Betreiber zufolge etwa ein Dutzend Mitarbeiter*innen des Ordnungsamtes die Räumlichkeiten des 47 betraten. Es wurde beklagt, dass der Stadtteilladen auf Facebook öffentliche Veranstaltungen angekündigt habe und somit zu einer Schanklizenz sowie einer vorzeigbaren Nutzungsgenehmigung verpflichtet gewesen sei. Außerdem seien brandschutzrechtliche Bestimmungen nicht eingehalten gewesen. Als Konsequenz forderten die Mitarbeiter*innen des Ordnungsamtes alle Anwesenden auf, das Lokal sofort zu verlassen. Die Türe wurde versiegelt. Wenig später gab der Betreiber - der gemeinnützige Verein 47 e.V. - bekannt, dass alle Veranstaltungen bis auf weiteres ausfallen werden und dass der Laden zum Jahresende schließen werde.

Der Projektladen 47 versteht sich als “Brücke zwischen Kulturen, Generationen und sozialen Schichten”. Es ist einer der seltenen Orte für Soziokultur in unserer Stadt. Bei Alt und Jung ein beliebter Ort, in dem alle Bürger*innen herzlich willkommen sind, an dem niedrigschwellig Kultur konsumiert und geschaffen werden kann, also ein Ort der kulturellen Teilhabe, der Begegnung und der Integration. Er wird getragen durch die Eigeninitiative engagierter Mitglieder des gemeinnützigen Vereins 47 e.V. und ist eine Bereicherung für unseren Bezirk Mitte. Das 47 stellt Angebote bereit, die die Stadt schon lange nicht mehr anbieten kann. Duisburg braucht mehr Orte der Soziokultur. Es zu schließen, ist genau der falsche Weg.

Das 47 ist ein Vereinsheim, in dem Getränke ohne Gewinnabsicht gegen Spende auf Selbskostenbasis aus einem Kühlschrank genommen werden können. Am Kühlschrank befindet sich ein Hinweis mit Spendenempfehlungen. Wie dies rechtlich zu bewerten ist, wird sich zeigen. Dass man in einem solchen Fall eine Schließung veranlasst ist völlig unverhältnismäßig. Es wäre möglich gewesen, anders hierauf zu reagieren. Die Schließung sollte nur die ordnungsrechtliche Ultima Ratio sein.

In jedem Fall ist es - leider wieder einmal - ein verheerendes Signal, das die Verwaltung dieser Stadt in Richtung der freien Kulturszene sendet. Ob es nun Zufall war, dass das Ordnungsamt in der Münzstraße kontrollierte oder politische Absicht: Die Praxis der Verwaltung einer Stadt, die sich gerne “Stadt des Ermöglichens” nennen möchte, sollte anders aussehen. Die Verwaltung aber auch die Politik dieser Stadt müssen sich endlich entscheiden, ob sie Orte der Soziokultur fördern möchten oder nicht.

Protest und Solidarität

Die Betreiber des soziokulturellen Projektladens 47 riefen zu einer Protestaktion auf, die am 14.12.2019 vor den verschlossenen Türen des 47 stattfand. Etwa 80 Menschen kamen der Aufforderung nach und zeigten bei Kälte und Regen ihre Solidarität mit dem 47.

Das Ordnungsamt zeigte abermals Präsenz. Es wurde versucht, einzuschüchtern und die Veranstaltung aufzulösen. Die Anmeldung einer spontanen Kundgebung wollten die Ordnungsamtler dann aber doch nicht entgegennehmen und zogen nach kurzer Rücksprache mit dem Vorgesetzten ohne weiteres Einschreiten vondannen.

Kulturrat muss her!

Ich ziehe zwei Schlussfolgerungen hieraus: Erstens haben soziokulturelle Orte wie das 47 in unserer Stadt einen starken Rückhalt in der Bevölkerung. Die Akteur*innen der freien Szene beweisen immer wieder aufs Neue, dass sie in der Lage sind, umfangreiche und anspruchsvolle Kulturprojekte für alle auf die Beine zu stellen. Zweitens hat die Verwaltung durch ihr unverhältmäßiges Vorgehen gezeigt, dass es ihr nicht darum geht, Orte der Soziokultur zu fördern, so wie es explizit im Kulturentwicklungsplan vorgesehen ist.

Die Kommunalpolitik muss nun - sollten die Bekenntnisse der Fraktionen im Rat ernst gemeint sein - klarstellen, dass wir in Duisburg Orte wie das 47 benötigen und dass ihnen Unterstützung angeboten werden muss. In Konfliktfällen darf nicht sofort die härteste Maßnahme vollzogen werden. Es muss einen Dialog auf Augenhöhe geben, der zum Beispiel im Kulturrat erfolgen könnte. Dieses bereits im Kulturentwicklungsplan vorgesehene Gremium soll aus Vertreter*innen Kulturschaffender, Kulturverwaltender, sowie Vertreter*innen von Bildung, Wirtschaft, Bau uns Soziales bestehen. Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass die Verwaltung den Kulturrat endlich voranbringt.

In Bezug auf das entstehende soziokulturelle Zentrum am Stapeltor muss die Stadt dessen Akteuren einen echten Weg zeigen, wie das Zentrum am Stapeltor realisiert werden kann. Die politische Absicht zu beteuern, im Haushalt kein Etat dafür vorzusehen und ordnungsrechtlich unverhältnismäßig hart gegen andere Orte der Soziokultur vorzugehen ist kontraproduktiv und falsch.

Quellen