Was der Kulturausschuss will und Sören Link wohl eher nicht

31. Januar 2023 - Christian Saris - Lesezeit: 6 - 8 min.

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Ein Konzept zur Überprüfung historisch belasteter Straßennamen

Am 28.08.2020 beschloss der Kulturausschuss in Duisburg (Niederschrift S. 34), die Verwaltung mit der Erarbeitung eines gesamtstädtischen Konzeptes zur Überprüfung von Straßen- und Platzbenennungen (DS 20-0907) zu beauftragen.

Die Benennung und Umbenennung von Straßen und Plätzen nach bekannten Persönlichkeiten ist immer wieder Gegenstand kontroverser stadtgesellschaftlicher Diskussionen. Der bekannteste Fall ist sicher die Lüderitzallee in der Afrikasiedlung.

Der Beschluss des Ausschusses sieht vor, aufgrund wissenschaftlicher Recherche ein gesamtstädtisches Konzept zu erarbeiten, wie die historische Belastetheit der Namensgeber*innen zum Beispiel in der Zeit des Nationalsozialismus oder in der Kolonialzeit bewertet werden kann.

Auf diese Weise soll ein Kriterienkatalog erarbeitet werden, der die zuständigen Bezirksvertretungen dabei wissenschaftlich fundiert unterstützt, über etwaige Umbenennungsfragen besser entscheiden zu können.

Wissenschaftliche Expertise zur Erarbeitung des Konzeptes haben wir in unserer Stadt, nämlich die des Zentrums für Erinnerungskultur und des Stadtarchives. Genau diese Institutionen sollen nach diesem Beschluss mit der Arbeit beauftragt werden.

Der Antrag wurde damals von uns Grünen zusammen mit der SPD eingebracht und mehrheitlich gegen die Stimmen der CDU beschlossen.

Zwei Jahre später: Nix ist passiert

Viel Zeit ist seitdem vergangen. Mittlerweile bin ich Mitglied des Rates und weiterhin auch Mitglied des Kulturausschusses. Immer wieder fragte ich nach, wie der Stand der Dinge sei.

Im Juni letzten Jahres teilte mir die damalige Amtsleiterin per Mail mit, ich würde in der nächsten Sitzung des Kulturausschusses Neuigkeiten zu dieser Vorlage hören.

Als aber der Ausschuss tagte, war ein solcher Punkt nicht auf der Tagesordnung zu finden. Was war geschehen? Ich bat die Verwaltung, sich dazu zu äußern. Aus der Niederschrift der Sitzung (siehe Seite 27):

Herr Beigeordneter Börger führte aus, dass man sich in der Erarbeitung von fachlich konzeptionellen Ansätzen befinde und man bereits die Bezirke aktiv beraten würde, ein gesamtstädtisches Konzept werde jedoch noch nicht erarbeitet. Er merkte an, dass man mit dem Zentrum für Erinnerungskultur und vor allem mit Herrn Dr. Pilger über einen Fachmann verfügt, der auch ohne ein übergreifendes Konzept schon sehr gut die Bezirke beraten würde. Herr Beigeordneter Börger würde aber den politischen Willen zu einer Erarbeitung eines zentralen Konzeptes mitnehmen.

Der Feststellung des „politischen Willens“ bedurfte es wohl zu diesem Zeitpunkt keineswegs mehr. Dieser war mit Mehrheit bereits als demokratischer Beschluss evident. Ein gesamtstädtisches Konzept werde noch nicht erarbeitet. Die Signale, die ich zuvor von der Verwaltung wahrgenommen hatte, das Konzept sei kurz vor der Fertigstellung, waren nicht mehr erkennbar.

Als ich in der letzten Sitzung des Kulturausschusses schließlich noch einmal nachgefragt habe, antwortete die Verwaltung nicht auf meine Frage, sondern schrieb in der Niederschrift (siehe Seite 18):

Für Straßenbenennungen und damit auch für die Überprüfung von belasteten Straßennamen sind die Bezirksvertretungen zuständig. Das Zentrum für Erinnerungskultur bzw. das Stadtarchiv sind gerne bereit, auf Anfrage hin die Arbeit der Bezirksvertretungen mit konzeptionellen Leitlinien zur Überprüfung von Straßennamen sowie mit konkreten Informationen zu Hintergründen von Straßenbenennungen zu unterstützen.

Die Feststellung der Zuständigkeit der Bezirksvertretungen ist zwar inhaltlich korrekt, geht aber völlig am Thema meiner Frage vorbei. Der Beschluss trachtet ein gesamtstädtisches Konzept an und keine Umbenennungen von Straßen. Darüberhinaus ist er seit über zwei Jahren demokratisch beschlossen und wird nicht umgesetzt.

Und noch etwas ist beachtlich: Die Verwaltung verwendet in der jüngsten Niederschrift die am Inhalt vorbeigehende „Argumentation“, die die CDU damals gegen den Antrag vorgebracht hat (siehe Niederschrift Seite 34). Wohl gemerkt, ein Antrag von SPD und Grünen zum Ende der letzten Wahlperiode gegen die Stimmen der CDU beschlossen. Kurz vor den Kommunalwahlen waren trotz der Groko solche Bündnisse möglich. Woh möglich, dass da im Nachhinein jemand nicht so ganz darüber amüsiert war. Groko, ick hör’ Dir trapsen.

Mein Eindruck ist, dass die Verwaltung bereits am Konzept gearbeitet hat. Sehr wahrscheinlich gibt es das Konzept auch schon. Aber die Verwaltungsspitze, in personam Oberbürgermeister Sören Link, scheint es nicht freizugeben. Beweisen kann ich das natürlich nicht.

„Die Vorlage ist fertig, wenn ich sage, dass die Vorlage fertig ist.“, das war der oberbossmäßige Wortlaut des Oberbürgermeisters Sören Link in einer anderen Sache im Rat der Stadt – damals ging es um die Beantwortung unserer Anfrage zu den Häuserräumungen in Hochfeld.

Nach ein paar Jahren ehrenamtlicher Arbeit als Ratsmitglied bekomme ich den Eindruck, dass Angelegenheiten - und anscheinend auch demokratische Beschlüsse von Gremien - nur dann umgesetzt werden, wenn Herr Oberberbürgermeister das auch so will.

Wenn das so sein sollte, trüge es dazu bei, dass Menschen immer weniger Vertrauen in das demokratische System setzten. Es förderderte mindestens Politikverdrossenheit. Ich werde jedenfalls nicht müde, weiter nachzufragen und darauf zu bestehen, dass diese Vorlage endlich veröffentlicht wird, damit die Stadt endlich eine wissenschaftlich-solide Grundlage hat, über die Benennung von Straßen, Plätzen und öffentlichen Einrichtungen zu befinden.